Nicht ins Becken springen.

Die letzte Straße 2020.

Ich war lange nicht hier. Weil dieses Jahr auch so anders ist. Nichts hat so statt gefunden, wie wir es uns 2019 vorgestellt haben. Meine Pläne wurde komplett durchgekreuzt. Aber ich bin Rad gefahren. Viel Rad – virtuell, wie so viele andere. Ich bin allein gefahren und ich habe meine ersten 200er erleben dürfen. Und ich habe sehr gute Freunde auf dem Rad kennengelernt. Insofern war das Jahr gar nicht so schlecht.

Die Tour wurde verschoben und viele andere Rennen ebenfalls. Fast alle wurden in die zweite Hälfte des Jahres verschoben. Und die war dann doch noch ganz schön spannend. Mein Fahrer des Jahres war übrigens nicht Mathieu van der Poel, sondern Julian Alaphilippe, der neue Strassenweltmeister. Das, was er bei der WM geschafft hat, die Flucht ca. 10 Kilometer vor dem Ziel, war außerordentlich. Ich mag ihn aber auch, weil so leidenschaftlich und emotional ist. Zum Ende brach er sich das Handgelenk bei der Flandernrundfahrt. Ob das so fair war, das Wout van Aert das Hindernis so spät angezeigt hat, darüber läßt sich streiten. Für uns Rider heißt das, gerade wenn wir dicht zusammen fahren, jedes Hindernis dem Fahrer hinter einem schnell und deutlich anzuzeigen. Bodenwellen, Kanaldeckel, parkende Autos. Bodenwellen waren für mich in diesem Jahr bedeutend. Dazu gleich.

Jedes Jedermann-Rennen wurde 2020 abgesagt. Ich wollte in Berlin fahren, in Hamburg und in Nizza – zum Start der Tour de France – am ursprünglichen Termin. Aber auch die L’Etape du Tour wurde auf das nächste Jahr verschoben. Ich habe meinen Startplatz behalten. Ich werde berichten.

Wenn ich sage, dass ich viel gefahren bin, dann waren es bis zum 20. November rund 8.300 Kilometer. Das ist für mich ebenfalls außerordentlich und zeugt von einer gewissen Sucht nach dem Rennrad – aber auch der Wahoo Kickr hat mich schnell auf das Rad gerissen. Ich hatte eben auch die Möglichkeit, viel zu fahren. Ohne Aufwand. Das ist schon genial. Und mit Zwift macht es einen Riesenspaß. So war ich bei der virtuellen Tour de France dabei und bin die letzte Etappe auf der Champs-Élysées gefahren. Virtuell, aber trotzdem ein einzigartiges Erlebnis. Go Zwift!

Die letzten Minuten vor dem Sturz.

Der 20. November war der Tag, der meine Saison beendete. Ursprünglich wollte ich dieses Jahr 9.000 Kilometer fahren und nichts stand dem im Wege. Die letzten 1.000 Kilometer waren nicht übertrieben, denn diese Menge bin ich schon im Oktober gefahren und für den November – bis zum 20. November – fehlten nur noch ein paar Kilometer. Ziel war es, für Movember 1.000 Kilometer zu fahren und gleichzeitig für mein RCC Chapter so viel Kilometer, wie möglich, einzufahren – im Rahmen der European Annual Challenge. Zuerst das Positive. Ich habe nicht meine Movember-Kilometer geschafft, aber mein Spendenziel erreicht. 333,- EURO konnte ich einsammeln. Noch einmal Danke an die Spender. Und mein RCC Chapter siegte bei der Challenge, die vom 15. bis 22. November ging. Ziel: Das Chapter mit den meisten Kilometern pro Mitglied. Eine Woche fahren und Kilometer sammeln. Die gefahrenen Kilometer wurden durch die Anzahl der Chapter-Mitglieder geteilt. Berlin fuhr die meisten Kilometer. Ich fuhr aber nur bis zum 20. November.

Dieser 20. November, dieser Freitag war ein schöner Herbsttag. Einer dieser Tage in diesem Jahr, von denen es einige gab. Relativ warm, sonnig, ideal. Ich war zwar viel zu warm angezogen, aber ich wollte nicht schnell, aber doch ein paar Kilometer für Movember und mein Chapter fahren. Vielleicht knapp 100. Eine West-Berliner-Runde. Krone / Schwanenwerder / Pfaueninsel / Glienicker Brücke und wieder zurück. Dreimal bin ich die Pfaueninsel-Schleife gefahren. Es war sehr meditativ. Einfach 100% Rennrad. Auf dem Rückweg, wollte ich, statt über die Krone oder durch die Stadt zum Tempelhofer Feld, einfach noch die Havelchaussee hochfahren und dann nach Hause. Es war 15:00 Uhr. Um 16:00 sollte die Sonne untergehen. Alles war easy, der Plan war vernünftig. Nach der ersten kleinen Steigung kommt ein flaches Stück, bevor es leicht bergab bis zu einem kurzen, aber knackigen Anstieg geht. Auf dem flachen Stück ist es dann passiert. Die Bodenwelle, verursacht durch eine Wurzel unter dem Asphalt, war extrem hoch – so habe ich sie gespürt. Ich kam aus dem Gleichgewicht. Bei 28 Km/h hat es mich auf die Hüfte geworfen. Der Schmerz war unerträglich. Und das Schlimme war, er hörte nicht auf. Ich lag dann auf der Havelchaussee. Jenny Pöller, die mich von der Fahrbahn gekratzt hat, hat das dann später in Ihrem Blog verarbeitet. So hat sie das erlebt.

Ich kam ins Krankenhaus. Röntgen. CT. Dreifacher Beckenbruch links. Das war das Ende meiner Saison 2020. Und es wird auch noch eine Weile dauern, bis ich wieder auf das Rad komme.

Fortbewegungsmittel für die nächsten Wochen.

Ich bin jetzt zu Hause. Krücken. CX auf Eurosport und sechs Wochen in der Wohnung festgetackert. Zum Jahreswechsel wird die Last auf dem linken Bein erhöht. Ich bekomme Physio und darf eigentlich auf den Kickr, wenn ich dabei keine Schmerzen habe. Nächste Woche will ich es versuchen. Keep on moving Bitches.

Veröffentlicht von bobcurtiz

Schreiben. Sehen. Zeit durchstolpern. Und rasten. Alles, nur keine Lakritze essen müssen. Auch kein Zungendreher. Und Rechtshänder. Der ganz normale Wahnsinn.

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2 Kommentare

  1. Lieber Heiko, es macht mich sehr betroffen und wütend. Dass niemand anhält. Hilft. Sich um einen offensichtlich Hilflosen und Verletzten kümmert. Gut, dass dann doch noch ein Engel kam. Und dein bike hast du 200% schon wieder zu Hause. Alle guten Wünsche für deine schnelle Genesung. Und für eine menschlichere Gesellschaft.
    Susanne F.

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